Die Utensilien des Stenografen


Was haben die Lineatur 12, der Pelikan P470 und der Stenofix gemeinsam? — Ihr Schicksal ist eng an das der Stenografie geknüpft. Aufgrund der Tatsache, dass die typischen Ausbildungsgänge, bei denen früher Kenntnisse der Stenografie notwendige Voraussetzungen waren, heutzutage praktisch komplett auf Stenografie verzichten, ist auch die Nachfrage nach den oben genannten Utensilien eines Stenografen stark eingebrochen. Wer nicht mit der Kurzschrift zu tun hat, wird gar mit den oben genannten Begrifflichkeiten wenig anfangen können. Es sollen daher dem Interessierten hier einige Informationen zu den typischen Utensilien eines (angehenden) Stenografen gegeben werden.

Die Schreibhefte für angehende Stenografen mit Lineatur 12:
Während die gewöhnlichen linierten (Lineatur 25 oder Lineatur 27) und karierten (Lineatur 26 oder Lineatur 28) (Schul-)Hefte in jedem Schreibwarengeschäft in rauen Mengen angeboten werden, wird sich die Lineatur 12 in fast keinem Geschäft mehr auftreiben lassen. In seltenen Fällen hat ein alteingesessenes Geschäft noch Restbestände, die irgendwo im Lager verstaut sind – im Verkaufsraum selbst jedoch werden diese Hefte kaum mehr ausliegen.

lineatur12 Stenografieheft:
Heft mit Lineatur 12
Marke: Brunnen, ca. 1990-2000

Das Besondere an diesen Heften der Lineatur 12 ist das Linienmuster, welches den stenografischen Schreibraum abbildet und extra für angehende Stenografen gedacht ist. Es handelt sich bei den stärkeren Linien um die Grundlinien, welche von feineren Linien umgeben werden. Zwischen zwei stärkeren Linien liegen stets drei feinere Linien.

lineatur12_muster Stenografieheft:
Heftseite mit Lineatur 12
Marke: Heyda, ca. 1990-1995
lineatur12_schreibraum
Beschreibung der Lineatur:
Beschriftete Heftseite
Marke: Heyda, ca. 1990-1995

Das vollständige Abdrucken aller Linien des Schreibraums hilft den angehenden Stenografen, beim Stenografieren die einzelnen Zeichen in der richtigen Höhe und in der richtigen Stellung zueinander zu platzieren. Einerseits helfen die Linien dem Schreiber also, sich im Schreibraum leichter orientieren zu können, andererseits zwingen sie ihn zu mehr Genauigkeit und sollen somit vermeiden, dass sich der Schreiber eine schlampige Handschrift angewöhnt. Der Rand auf jeder Seite ist für Korrekturen und Anmerkungen (z. B. durch die Lehrkräfte) gedacht. Typischerweise hatten die Hefte das Format A5.

Steno-Blöcke für Mitschriften, Diktate und Notizen:
Während in voranstehend beschriebenen Stenografieheften sämtliche Linien des Schreibraums dargestellt sind, beschränken sich Steno-Blöcke auf die Grundlinie. Auffällig jedoch gegenüber normalen Schreibheften ist die Zweiteilung der Seite (wie bei Vokabelheften). Diese absichtliche Schreibzeilenverkürzung dient dazu, dass die Hand beim Zeilensprung einen kürzeren Rückführungsweg zum nächsten Zeilenbeginn zurücklegen muss. Dieser Weg soll möglichst kurz gehalten werden, da sonst wertvolle Zeit beim Zurückführen des Stifts verloren geht und der Stenograf dann Gefahr läuft, den Anschluss beim Schreiben zu verpassen.

stenoblock Stenoblock:
Block mit zweispaltiger Lineatur
Marke: Milan, ca. 2010-2015

Der Stenobleistift:
Stenobleistifte gibt (bzw. gab) es in diversen Firmen. Während der Stenofix-Bleistift von der Firma Staedtler bereits nicht mehr produziert wird, produziert Faber-Castell seine Modelle auch zukünftig noch weiter – obschon diese Stenostifte auf der firmeneigenen Homepage nicht mehr als Produkt gelistet sind. Ein grundsätzliches typisches Merkmal von Stenografiebleistiften ist der runde Schaft. Die meisten normalen Bleistifte hingegen haben einen sechseckigen Schaft. Die runden Stenobleistifte sollen leichter in der Hand liegen und leichter drehbar sein. Wenn der Stift in einer bestimmten Halterichtung aufgrund längerer Nutzung beginnt breiter zu schreiben, so kann durch einfache Drehung eine dünner schreibende Seite der Mine zum Blatt gedreht werden. Durch das widerstandslosere Drehen geht während des Stenogramms weniger Zeit verloren.

Da beim Stenogramm keine Zeit zum erneuten Anspitzen des Stiftes vorhanden ist, legt sich der Stenograf vor Beginn des Stenogramms mehrere gut gespitzte Stenostifte parat, um bei zu starker Abnutzung des Stiftes einen schnellen Wechsel vornehmen zu können. Die Stenostifte von Faber-Castell gibt es zudem in verschiedenen Härtegraden (HB, B, 2B). Je weicher der Stift ist, desto besser und deutlicher lassen sich die bei der Stenografie wichtigen Verstärkungen einiger Zeichenzüge zu Papiere bringen. Diese Verstärkungen sind wichtige Merkmale der stenografischen Schrift und sollten daher bestmöglich mitgeschrieben werden. Der Nachteil jedoch sehr weicher Stifte ist, dass eine spitze Mine relativ schnell weggeschrieben wird. Härtere Minen halten deutlich länger beim Stenogramm – hier jedoch ist die Verstärkung von Zeichen wiederum etwas schwieriger. Ein Schreibinstrument, das sowohl die Verstärkungen meistert, als auch das häufige Wechseln des Stiftes überflüssig macht, ist der Stenografiefüller.

Der Stenofüller P470 von Pelikan:
Der Stenofüller P470 war der letzte serienmäßig produzierte Stenografiefüllhalter und wurde bis ungefähr in die Mitte der 2000er Jahre noch vertrieben. Mittlerweile werden Sie auch diesen Stenofüller mit 99,9%iger Wahrscheinlichkeit in keinem Schreibwarengeschäft mehr auftreiben können. Selbst in den einschlägigen Schreibwaren-Internetshops und gar bei Amazon ist er nicht mehr zu haben – wenngleich er teilweise noch als Produkt gelistet ist. Auch bei ebay sind dieser oder auch andere Stenofüller verhältnismäßig selten anzutreffen. Und wenn, werden sie mittlerweile relativ hochpreisig gehandelt. Für den P470 kursieren gar Festpreisangebote zwischen 69 Euro und 129 Euro; bei Ersteigerungen hingegen kann man mit etwas Glück zu „günstigen“ 40 bis 50 Euro den Zuschlag erhalten.

pelikan_p470 Stenofüller:
Pelikan P470
Marke: Pelikan, ca. 2000-2005

Ein Stenofüller hat eine besondere Schreibfeder, welche deutlich elastischer ist als gewöhnliche Füllfedern. Verstärkt der Stenograf beim Schreiben den Druck der Feder aufs Paper, so spreizt sich die Feder auf und sie hinterlässt eine breitere Spur auf dem Papier. Wird der Druck jedoch zu stark oder zu lange ausgeführt, so bricht der Tintenfluss ab und die Schrift erfährt ungewollte Unterbrechungen, die beim späteren Lesen Schwierigkeiten bereiten kann. Druck, Haltewinkel und Schreibgeschwindigkeit sind wichtige Parameter für ein sauberes Stenogramm mit einem Stenofüller. Da das Schreiben mit einem Stenofüller gewisse Übung erfordert, bietet sich für den Einsteiger ein Stenografiebleistift der Stärken HB oder B an. Der Griff zum Stenofüller kann hier getrost nach hinten verschoben werden. Für die Erstellung von stenografischen Autografien mit Anspruch auf Sauberkeit ist der Stenofüller jedoch eine gute Wahl, da die Linien hier klarer und sauberer werden als mit den Stenobleistiften.

Die Stoppuhr:
Eine wichtige Übung für das Trainieren der Geschwindigkeit beim Stenografieren ist das regelmäßige Mitschreiben von Diktaten. Diese Diktate müssen jedoch die richtige Geschwindigkeit haben, damit der Schreiber nicht unter- oder überfordert wird. Die Geschwindigkeit wird für gewöhnlich in Silben pro Minute gemessen. Vor dem Diktat muss ein Text „ausgezählt“ werden. Hierzu wird beispielsweise jede zehnte und/oder zwanzigste Silbe markiert. Der Diktierende (= Diktant) kann sich dann mithilfe einer Stoppuhr an den markierten Silben so orientieren, dass er bestimmte Geschwindigkeiten verhältnismäßig genau einhalten kann. Besonders praktisch zu diktieren wäre beispielsweise die Geschwindigkeit von 60 Silben pro Minute, da hier jede Sekunde genau eine Silbe gesprochen werden müsste. Auch 80 Silben pro Minute (jede Viertelminute 20 Silben) oder 120 Silben pro Minute (alle 5 Sekunden 10 Silben) lassen sich mithilfe einer gewöhnlichen Stoppuhr sehr gut abpassen. Für andere Geschwindigkeiten wird es allerdings schwieriger.

stenostop Stenografische Stoppuhr:
Stenostop nach Dr. Kennerknecht
Marke: Hanhart, ca. 1970-1980

Das spezielle Ziffernblatt der sogenannten Stenostop-Stoppuhr war dafür gedacht, auch das Diktieren ungünstiger Geschwindigkeiten (z. B. 70 oder 130 Silben pro Minute) einfach möglich zu machen. Jedoch ist das Ziffernblatt für den ungeübten Diktanten eine wahre Herausforderung, da es sehr überladen ist und die kleinen Zahlen aus dem Augenwinkel schlecht zu erkennen sind. Denn es darf nicht vergessen werden, dass der Blick hauptsächlich auf den Text gerichtet ist, welcher diktiert wird, und ein kurzer Blick zur Uhr lediglich zur Kontrolle der Geschwindigkeit dienen soll. Die Stenostop ist heute weitestgehend in Vergessenheit geraten. Die meisten Stenografielehrer greifen zu einer normalen Stoppuhr ohne spezielles Ziffernblatt. Dieses Vorgehen führt mit etwas Übung zu ebenso guten Resultaten bei der Einhaltung der gewünschten Geschwindigkeit.

Haben Sie noch interessante Dinge, die auf bestimmte Weise mit der Stenografie verknüpft sind? Dann setzen Sie sich gerne mit uns in Verbindung. Da wir die Stenografie greifbar machen möchten und auch ihre Geschichte festhalten wollen, sind wir auch stets daran interessiert, weitere Gegenstände, Bücher und Dokumente in unser Archiv aufzunehmen. Ansprechpartner in dieser Angelegenheit ist Jascha-Alexander Koch.

Schauen Sie doch einmal interessehalber im Schreibwarengeschäft Ihres Vertrauens nach, welche Utensilien Sie dort heute noch finden können. Wenn die Ausbeute dabei auch relativ gering ausfallen wird, so lohnt es sich doch zumindest, die erstaunten Blicke der Verkäufer voll auszukosten: „Stenografie? Gibt es das denn heute noch?“

— „Ja, gibt es! Und das seit über 120 Jahren bei uns!“